Im Gespräch mit Florian Brechtel, Berater von gemeinnützigen Organisationen
Die Finanzierung von Vereinen ist facettenreich – sagt Florian Brechtel, Berater von gemeinnützigen Organisationen mit Background im Finanzwesen, und warnt vor einem Klumpenrisiko. Was sich dahinter genau verbirgt und wieso Kooperationen nicht nur groß, sondern auch breit gedacht werden dürfen, hat er uns im ersten Part unseres sehr interessanten Interviews verraten.
Herr Brechtel, wie beurteilen Sie ganz allgemein den Umgang mit Finanzierungsmöglichkeiten in Vereinen?
Die Abhängigkeit von wenigen Finanzierungsmöglichkeiten ist aus meiner Sicht ein großes Problem bei vielen Vereinen. Ich komme ursprünglich aus dem Finanzwesen, habe BWL studiert, eine Banklehre absolviert und mehrere Jahre im Bankbereich gearbeitet. Deshalb interessiere ich mich natürlich noch immer für Zahlen und das Finanzielle.
Und ich finde, es gibt eine sehr interessante Studie vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften, die vom Deutschen Olympischen Sportbund mit Daten unterlegt ist. Es geht darum, wie Sportvereine ihre Finanzierung sicherstellen. Und da sieht man, dass allein die Mitgliedsbeiträge auf der Einnahmeseite über 55 % ausmachen. Dann ist der nächste größere Posten mit 13 % der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, dahinter verbergen sich dann Veranstaltungen, bei denen Eintrittskarten, Speisen und Getränke verkauft werden und am Ende auch ein bisschen was hängen bleibt. Und was auch noch zwei große Blöcke mit jeweils knapp 9 % ausmacht, sind dann Spenden und Zuschüsse. Die drei Kategorien zusammen machen ¾ der Einnahmen der in der Studie berücksichtigten Sportvereine aus. Und da sieht der ehemalige Bänker und BWLer gleich ein erhebliches Klumpenrisiko. Wenn da jetzt mal so etwas wie eine Pandemie dazwischenkommt, wo keine Veranstaltungen und auch kein Trainingsbetrieb oder Projekte stattfinden, also man auf der Seite keine Einnahmen hat, sodass auch keine Zuschüsse oder Spenden eingesammelt werden, und dann auch noch ein Teil der Mitgliedschaft kündigt, weil ja nichts los ist, dann kippt das plötzlich ganz schnell.
Deshalb empfehle ich: Schaut euch die Finanzierungsquellen noch einmal detaillierter an und blendet nicht aus, dass es noch einige weitere gibt, die man auch nutzen könnte.
Können Sie uns einige Beispiele nennen?
Zum Beispiel den gesamten Bereich Sponsoring. Dieser ist an vielen Stellen noch unterbelichtet. Oder auch das Thema Zuschüsse. Fördermittel enden sehr häufig auf der Ebene der Landkreisgrenze.
Ein kurzer Exkurs: Die Förderstruktur sieht ja so aus, dass man Gelder aus öffentlichen Töpfen bekommen kann, zum Beispiel von der Kommune, in der man seinen Sitz hat, oder dann aus dem Landkreis und darüber hinaus beim Land, beim Bund und schließlich auf EU-Ebene. Oftmals enden die Gespräche in Vereinen dann aber eben auf der Höhe des Kreises. Manchmal wird höchstens noch mit dem Sportkreis gesprochen, wo dann zwar Gelder vom Land in einem Topf sind, aber die werden nur mit den Verhandlungspartnern vor Ort besprochen.
Und an diesem Punkt kann man ansetzen. Das bedeutet, da auch noch mal zu schauen, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt: Vielleicht auch mal ein Bundesförderprogramm in Anspruch zu nehmen oder sich mal an die EU zu wagen oder sich dann auch noch einmal die anderen Bereiche anzuschauen. Zum Beispiel: Was kann man vielleicht auch von Stiftungen für seine Projekte bekommen oder auch von den sogenannten Soziallotterien, also Aktion Mensch, die Glücksspirale, alles, was mit dem gesamten LOTTO Toto Bereich zu tun hat. Dort ist riesiges Potential vorhanden.
Und ein weiterer Aspekt in dem Zusammenhang, das ist dann auch häufig nicht nur ein Finanzierungsthema, hat oftmals Überschneidungen mit dem Freiwilligenmanagement. Hilfreich ist nämlich auch, mal zu überlegen, an welchen Stellen kann man vielleicht auch kooperieren? Gerade dieser ganze Bereich der Schulen, Kindergärten, der Bildung insgesamt – das ist ein Riesenfundus, weil eben diese Einrichtungen wie Kitas und Schulen oder auch die dazugehörigen Fördervereine eigene Budgets haben. Manchmal gibt es auch spezielle Förderprogramme, die genau so eine Kooperation bei Projekten besonders einfordern und unterstützen und die zum Beispiel nur dann Geld geben, wenn nochmal ein lokaler Sportverein oder eine Kirchengemeinde oder ein Chor oder die Feuerwehr dabei ist.
Das ist ein interessanter Aspekt, den wir gerne aufgreifen würden. In unserem letzten #mehrWERT Beitrag haben wir das Thema Wirkung und damit einhergehend die Wirkungstreppe, also das gemeinschaftliche Handeln für mehr Wirkung, thematisiert. Und das passt ja dann sehr gut zu diesem Punkt, den Sie gerade genannt haben. Empfehlen Sie also nicht nur die Kooperation mit Bildungsträgern, Kirchen oder Sozialeinrichtungen, sondern zum Beispiel auch die Kooperation untereinander?
Absolut, Ich sitze in Limburg in einem Stadtteil mit knapp zweieinhalbtausend Einwohnern und noch sehr dörflichem Charakter und erlebe auch hier, dass die Vereine untereinander noch recht wenig zusammenarbeiten. Jeder macht so sein Ding für seine Mitglieder und sein Programm, wobei ich der Meinung bin, die Leute, die hier leben, die machen im Kopf gar nicht so sehr die Unterscheidung. Da geht das eine Kind in den Turnverein und das andere ist im Fußballverein, der Vater ist bei der Feuerwehr und die Mutter engagiert sich in der Kirchengemeinde. In der Lebenswirklichkeit der Leute ist das also sowieso alles abgebildet.
Und anders als auch nochmal im privatwirtschaftlichen Bereich haben wir hier ja den Fall, dass die Konkurrenzsituation nicht da ist im Sinne von „wenn wir unser Produkt oder unsere Dienstleistung verkaufen, wird der Euro nicht bei der Konkurrenz ausgegeben“ – in der Vereinswelt geht es ja eher darum, dass man für seinen Zweck Veranstaltungen und Projekte umsetzt oder im Zweifel dann eben nicht, weil man nicht genügend Leute und nicht genügend Geld hat. Das Einzige, was sozusagen gekitzelt wird, ist das Ego, dass man nachher vielleicht nicht allein auf irgendeiner Bühne steht oder in einem Zeitungsbericht genannt wird.
Aber ich finde immer, gerade in dem Bereich sollte überhaupt niemandem ein Zacken aus der Krone brechen, wenn man dann vielleicht mit zwei, drei anderen Vereinsvorständen aufs Foto kommt, die auch mitgewirkt haben. Das ist weniger eine Finanzierungs- und viel mehr eine Haltungsfrage.
Stichwort Internet: Erfahren Sie im 2. Teil unseres Interviews unter anderem, wie die Digitalisierung und mit ihr ihre extreme Dynamik die Finanzierung von Vereinen beeinflusst. Bis dahin finden Sie in unserer Angebotsrubrik „Projektfinanzierung“ weitere spannende Informationen rund um Fundraising, Förderanträge und Projektskizzen.
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