Auf einen Kaffee …. zum Thema Durchhaltevermögen

von | Aug 3, 2020 | #mehrGESPRÄCHE, Textbeitrag

Willkommen zu unserer Reihe „Auf einen Kaffee mit…“ – jeden Monat beantworten ausgewählte Gäste spannenden Fragen rund um ihre Arbeit, ihre Werte und ihre Visionen. Den Anfang macht WerteWissenWandel-Initiatorin Anja Lothschütz – mit der wir über die Bedeutung und die Relevanz von Durchhaltevermögen geplaudert haben.

Ausdauer, die sich auszahlt: Durchhaltevermögen in Zeiten des Wandels

Anja, was bedeutet für Dich Durchhaltevermögen und wo ordnest Du dieses ein?

Der derzeitige Wandel prägt ja sowohl unser Privat- als auch unser Berufsleben enorm. Wir befinden uns zwar im Wandel, wissen aber noch nicht, wo dieser hinführt, welche Konsequenzen er mit sich bringt. Viele Menschen fragen sich außerdem: wie sieht dieser Wandel denn eigentlich genau aus? Und wie wird sich unsere Welt in den nächsten fünf bis zehn Jahren tatsächlich verändern? Die Ausmaße des Wandels unserer Zeit können wir heute doch noch gar nicht überblicken und einordnen. Und doch stellen wir uns viele Fragen – was bedeutet die zunehmende Technologisierung? Was stellt sie mit dem Individuum an und wie verändern sich in diesem Zuge die Strukturen in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen? Was ist die Basis, auf der das Wertesystem eines jeden Einzelnen, aber auch letztendlich der Gesellschaft fußt? Und auch die Unternehmen als die wirtschaftlichen Grundpfeiler unserer Gesellschaft sind Teil von diesem großen Ganzen und müssen sich fragen: Was sind unsere Unternehmenswerte? Wofür steht unser Unternehmen oder unsere Organisation? Inwieweit können wir mit unserer täglichen Arbeit Werte wie beispielsweise Demokratie und Freiheit aktiv fördern und unterstützen?

Denn eine klare Wertehaltung kann uns besonders in turbulenten Zeiten dabei helfen, gesund und stabil zu bleiben – und durchzuhalten. Den Wandel, Veränderungen und Neuerungen zum Beispiel. Dafür ist es wichtig, Fähigkeiten zu erlernen, die nicht rein auf der fachlichen, sondern vor allem auf der persönlichen Ebene anzusiedeln sind und ein ganz anderes Know-how sowie ein ausgeprägtes Verständnis für die eigene Umwelt erfordern. Vielleicht müssen wir uns auch einfach wieder mehr darauf konzentrieren, mit unseren Mitmenschen auf zwischenmenschlicher Ebene zu interagieren. Werte wie Empathie, Vertrauen und Anerkennung rücken dann automatsch wieder stärker in unseren Fokus und tragen dazu bei, ein Gemeinschaftsgefühl zu etablieren. Denn gemeinsam, als starke Gesellschaft, können wir den Wandel ganz bestimmt am besten meistern.

Das ist ein interessanter Ansatz, den ich gerne vertiefen würde. Wieso ist es so wichtig, in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung Werte wie Empathie, Vertrauen und Anerkennung zu stärken?

Menschen fassen sich an den Händen

Ich denke, wir leben in einer Zeit des extremen Umbruchs – wir müssen uns mit Faktoren wie der Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Robotik auseinandersetzen. Aber hinter all der Technik stehen in den Unternehmen doch immer noch die Menschen. Menschen, die mit diesen Veränderungen umgehen und darauf reagieren müssen, die nicht nur zusammen leben, sondern auch zusammen arbeiten und miteinander tagtäglich zurechtkommen müssen. Man spricht momentan ja auch von der sog. VUKA-Welt, wobei VUKA für Volatilität, Unstabilität oder Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität steht. Das kann man wie eine Schablone über unsere derzeitige gesellschaftliche Situation legen – auf feste Strukturen kann man sich immer weniger verlassen, der Bezug zum ursprünglich erlernten Beruf fehlt oftmals. Junge Menschen können sich nicht darauf verlassen, dass das, was sie jetzt lernen in einigen Jahren überhaupt noch relevant ist.

An dieser Stelle braucht es also eine andere Ausrichtung – dabei spielt unter anderem der Resilienzgedanke eine große Rolle. Wie halte ich durch – oder besser – Wie bleibe ich bei all dem Trubel stabil? Auf welche Werte beziehe ich mich? Wie ist meine innere Haltung und wie begegne ich dem Wandel der Zeit? Kompetenzen wie Kreativität, Intuition, Handlungsfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein oder der richtige Umgang mit der Informationsflut müssen stärker in den Fokus rücken. Deshalb ist nicht nur die Vermittlung fachlicher Aspekte, sondern vor allem das Erlernen nachhaltiger, sozialer und emotionaler Kompetenzen so wichtig – denn darauf kommt es immer mehr an.

Und wo siehst Du in diesem Kontext die Aufgabe der Unternehmen?

Aus meiner Sicht als Unternehmerin geht es vor allem darum, eine klare Position einzunehmen und mit dem eigenen unternehmerischen Tun einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Dieser Beitrag kann ganz unterschiedlicher Natur sein – indem sich die Entscheidungsträger in den Unternehmen beispielsweise für eine ökologische, nachhaltige Produktion einsetzen oder sich kritisch mit dem Aufbau der eigenen Lieferkette auseinandersetzen – wer arbeitet überhaupt für uns, unter welchen Arbeitsbedingungen werden unsere Produkte produziert, wie können wir Prozesse zugunsten der für uns tätigen Arbeitskräfte optimieren? Beteiligen wir uns an sozialen Programmen? Unternehmer können und sollten sich vermehrt damit beschäftigten, inwieweit ihr Handeln und ihre Position in ihren Unternehmen zum Gemeinwohl und zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft beiträgt.

Das erfordert Kraft, Ausdauer und Durchhaltevermögen, ganz klar. Aber je mehr Menschen sich mit diesen Gedanken auseinandersetzen und neue, nachhaltige Ansätze zulassen, desto leichter wird es für unsere Gesellschaft, gemeinsam durchzuhalten. Und wir alle kennen es doch aus dem Sportstudio oder von der Joggingstrecke – irgendwann wird Durchhaltevermögen belohnt, dann wird daraus Kondition. Und mit ausreichend Kondition meistert man Langstreckenläufe (oder in unserem Fall: Langzeitaufgaben) doch bekanntlich am besten…

 

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