Im Chat mit Ulrike Wahl, der „Hochschulerfrischerin“
Ulrike Wahl ist Querdenkerin, Design Thinkerin und Systematikerin. Sie ist in der Messestadt Leipzig geboren und in Finsterwalde aufgewachsen, erlebte mit 12 Jahren die Wende mit, bereiste später Texas, studierte schließlich Wirtschaftswissenschaften, Anglistik, Germanistik und Politische Wissenschaften an der Mannheimer Universität und ließ sich im Anschluss zur Mediatorin und Coach sowie zur Design Thinkerin und Scrum-Masterin ausbilden. Seit mehr als 17 Jahren ist sie Mutter und leidenschaftliche Unternehmerin zugleich – und bezeichnet sich selbst als „Hochschulerfrischerin für Begeisterung“ in Deutschland und Europa. Wir haben mit ihr über ihre Werte, ihre Vision und ihre persönliche Motivation gesprochen.
Liebe Ulrike, wie ist Ihre Vision entstanden?
Während meiner mehr als 10 Jahre im deutschen Hochschul- und Bildungssystem vermisste ich vor allem Begeisterung. Ich begegnete so vielen erschöpften Menschen – von Studierenden bis zu Hochschulleitungen; die ganze Bandbreite. Ich war überzeugt davon, dass dies anders geht. Dass Hochschulen ganz wichtige Anlaufstellen und Schnittstellen für die Gesellschaft sind. Hier entsteht das Wissen von morgen. Hier kommen die Führungskräfte von morgen her. Hier sollte offen und frei diskutiert werden können. Doch genau da stoßen klassische und bisherige Formate eben oftmals an ihre Grenzen. Und dann entdeckte ich Design Thinking. Und Scrum – während eines Millionen-Projektes mit der BASF SE. Und ich bekam Antworten. Impulse, was es heißt, Werte aktiv zu nutzen. Impulse und Werkzeuge, was es heißt, die Nutzer*innen im Blick zu haben. Und dann auch noch Impulse, um das volle Potenzial von Menschen aktiv zu nutzen. Beide Gehirnhälften. Und dass diese Art von „Arbeit“ auch noch wahnsinnig Spaß macht und dass Begeisterung – so Prof. Hüther – der Dünger für unser Gehirn ist. Also WIN-WIN auf ganzer Linie!
Es gibt ja mittlerweile einige Initiativen und Unternehmen die diese Ideen und Techniken weitertragen und diese Formate auch in ihrer täglichen Arbeit nutzen. Und ist es nicht gerade auch die jüngere Generation die für „anderes“ denken und arbeiten offen ist? Das macht doch Hoffnung, finden Sie nicht?
Ja, das ist richtig. Und ich nehme diese zahlreichen Initiativen und Formate hoffnungsvoll und aufmerksam wahr. Dennoch glaube ich, dass jede Stimme zählt. Initiativen alleine reichen nicht. Es braucht eine europäische Vision und eine deutsche Vision. Die Wahlergebnisse sprachen und sprechen leider oft eine andere Sprache. Hier versuche ich als Bindeglied zwischen Hochschulen, Ministerien und Firmen aktiv zu wirken und zu ermutigen.
Ohne viele Akteure, die Ihre Vision teilen und hierzu etwas beitragen, wird sich das sicherlich nicht realisieren lassen. Dennoch hat die Geschichte ja immer wieder gezeigt, dass es nicht die breite Masse braucht, sondern eine kritische Menge, die Systeme umkrempelt – im Guten als auch im Schlechten. Wenn Sie sich ganz persönlich in diesem Kontext betrachten – wann wäre für Sie, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten, Ihre Vision erfüllt?
Für mich hat die Erfüllung meiner Vision ganz viel mit Gefühl zu tun. Wenn Menschen mit dunkler Hautfarbe keine Angst mehr haben, nach Sachsen zu fahren (wie eine prominente SPD-Politikerin in Rheinland-Pfalz) oder wenn ich von Nachbarn an der S-Bahn-Haltestelle nicht mehr mit dem einleitenden Satz begrüßt werde, wie nervig AfD-Parolen in der Böhler Gruppe sind. Wenn wir uns unserer Stärken in unserem demokratischen Land bewusst sind. Wenn wir klar und selbstbewusst Stellung beziehen, was Menschlichkeit und Menschenwürde für uns bedeutet. Wenn Angst aus unserer Gesellschaft schwindet. Und wenn zum Beispiel Hochschulen sich an dem Vorbild der Dresdener Hochschulen orientieren und den Raum für kontroverse und moderierte Dialoge und Diskussionen sowie den offenen Austausch schaffen. In Dresden begann dieser Dialog aus der Not. Soweit muss es deutschlandweit ja nicht kommen.
Ein sehr guter, konkreter Ansatz. Was könnten Sie hierzu beitragen, damit sich diese Möglichkeit verbreitet?
Was mache ich konkret? Ich werbe in jeder Vorstellungsrunde für Demokratie. Dass diese nicht einfach so passiert, sondern unglaublich stark ist, wenn sie von ganz vielen Händen getragen wird. Und ich bringe Wissen aus der agilen Welt mit – mit den fünf Werten aus Scrum, dem Fokus auf Wirksamkeit und Mehrwert für Nutzer*innen im Design Thinking und wie Kanban dabei helfen kann, ins Tun zu kommen. Ich mache Mut zum Tun. Mut, sich nicht mit Mittelmaß zufrieden zu geben. Mut, Andersdenkende als Geschenk und als Mehrwert wahrzunehmen. Mut, den passenden Mix zu finden – für mehr Begeisterung.
Deckt sich das mit Ihren persönlichen Werten? Welche Werte treiben Sie an?
Meine Werte sind Mut, Loyalität, Begeisterung, Fokus und Humor.
Würden Sie diese Werte als Grundwerte definieren, die es generell braucht, um große Ideen und Visionen in die Welt zu tragen?
Mut braucht es immer. Die anderen Werte können variieren – glaube ich. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit einer starken Vision „Bock auf´s Lernen und Finden des eigenen Weges“ machen können. Genug Geld ist im System. Denn immer noch sehe ich erloschene Augen. Ich sehe resignierte Jugendliche. Ich sehe erschöpfte Menschen. [Neben den vielen engagierten Menschen]. Wir dürfen KEINEN Jugendlichen verlieren. Sonst haben wir – als Gesellschaft – etwas verkehrt gemacht. Und so schließt sich für mich der Kreis. Aus Verwaltungshochschulen kommen die Beamten der Zukunft. Aus Hochschulen kommen die Lehrer*innen von morgen. Wir brauchen mehr Bewusstsein für das WERT-volle im Menschen. Dazu brauchen wir 1 VISION, welche uns als Menschen verbindet. Das vermisse ich im Bildungssystem Deutschland. Das versuche ich zu initiieren – mit vielen, kleinen Schritten. In die richtige Richtung.